11. bis 13. Juli 2014 im Experimentiertheater
Konzeption und Organisation: PD Dr. Lars Nowak
Dass Medien nicht allein der Repräsentation, sondern auch der Führung von Kriegen dienen, ist eine seit geraumer Zeit etablierte medienwissenschaftliche Einsicht. Nur am Rande hat man sich bislang jedoch mit den räumlichen Aspekten dieses internen Zusammenhangs von Krieg und Medien beschäftigt. Hierauf einen systematischen Fokus zu legen, hat sich die Konferenz Medien – Krieg – Raum vorgenommen, die anlässlich der aktuellen Jahrestage zum Ersten und Zweiten Weltkrieg von der Juniorprofessur für Medienwissenschaft der Universität Erlangen-Nürnberg im Rahmen des dort angesiedelten DFG-Forschungsprojektes Die Wissensräume der ballistischen Photo- und Kinematographie, 1860-1960 ausgerichtet wurde.
Die geringe Beachtung, die bisherige Analysen militärischer Medieneinsätze dem spatial turn geschenkt haben, erstaunt umso mehr, als die wechselseitige Abhängigkeit von Krieg und Raum seit Sun Tsu zu den zentralen Themen des militärstrategischen Denkens gehört: Einerseits bildet der Raum insofern einen Gegenstand des Krieges, als militärisches Handeln nicht nur auf die taktische oder strategische Besetzung oder Beherrschung geographischer und sozialer Räume abzielt, sondern diese zugleich durch offensive wie defensive, materielle wie immaterielle Eingriffe massiv verändern kann. Andererseits stellt der Raum eine Bedingung militärischer Konflikte dar, weil jeder Krieg notwendigerweise an irgendeinem Ort ausgetragen werden muss. Zugleich können sich Kriegsschauplätze qualitativ wie quantitativ stark voneinander unterscheiden und dabei das Führen eines Krieges erschweren, erleichtern oder in anderer Weise beeinflussen. Denn ob auf dem Festland, auf der Oberfläche oder in der Tiefe des Meeres, in der Luft oder im Weltraum, ob in Wüsten, Bergen, Urwäldern oder Städten, ob in Außen- oder Innenräumen, ob in aktuellen oder virtuellen Räumen, ob innerhalb eines oder zwischen mehreren Staatsgebieten, ob auf lokaler oder globaler Ebene, ob in gehegten oder entgrenzten Räumen gekämpft wird, spielt eine entscheidende Rolle für den Verlauf und den Ausgang einer militärischen Auseinandersetzung. Auch können Fronten jahrelang an einem Punkt verharren oder sich mit rasanter Geschwindigkeit verschieben. Und schließlich wird das Schlachtfeld als Ort des eigentlichen Kampfgeschehens um Räume ergänzt, die zu diesem in vermittelten Beziehungen stehen, wie etwa die Kaserne, die Rüstungsfabrik oder das militärische Labor.
Die Räume, die Kriege beherbergen und zugleich von ihnen erzeugt werden, stehen aber ebenso in einem Interdependenzverhältnis zu den Medien. Denn zum einen müssen auch diese, wenn von ihnen militärisch Gebrauch gemacht werden soll, in den Räumen des Krieges lokalisiert sein. Dabei können auch die Medien bald an einen Ort gebunden sein, bald ihren Ort wechseln, bald an mehreren Stellen zugleich auftauchen, bald auf ganz bestimmte Lokalisierungen angewiesen sein. Sobald sie aber in einen Kriegsraum eintreten, sind sie stets einer erhöhten Gefahr von Störungen und Zerstörungen ausgesetzt, zu denen im Fall der Telekommunikationsmittel noch das aus der mangelnden räumlichen Begrenzbarkeit resultierende Risiko der Interzeption kommt. Zum anderen sind auch Kriegsräume – auf historisch je unterschiedliche Weise – sozial konstruiert, und zu dieser Konstruktion tragen neben Waffen- und Transporttechniken auch die unterschiedlichsten Medientechnologien bei: Übertragungsmedien verbinden entfernte Punkte und überbrücken damit räumliche Distanzen. Durch ihre steigenden Reichweiten und Geschwindigkeiten haben sie den militärischen Aktionsradius im Laufe der Geschichte immens vergrößert. Und wenn Kriege mittlerweile auch an Orten geführt werden, an denen dies früher nicht möglich war, so ist dies auch der räumlichen Flexibilität optischer und funktechnischer Kommunikationsmedien geschuldet. Speicher- und Beobachtungsmedien, wie Photo- und Kartographie, Teleskopie und Thermographie, Licht- und Schallmessverfahren, Radar und Sonar, erschließen Kriegsräume verschiedener Art und Größe der Wahrnehmung, indem sie ihre zeitlichen Veränderungen mittels Fixierung verräumlichen, bei variierenden Reichweiten Entfernungen und Hindernisse überwinden, Objekte vergrößern und verkleinern oder von der horizontalen in die vertikale Perspektive wechseln. Können auf diese Weise die Positionen, Bewegungen und räumlichen Formen von Objekten bestimmt werden, so sind freilich noch andere spatiale Wirkungen zu beobachten, wenn beispielsweise Karten aufgrund ihrer Distanz und Aufsicht den Raum abflachen, dezentrieren und entleeren oder wenn Radarsysteme eigene virtuelle Grenzen errichten. Computer schließlich werden nicht nur für die Archivierung und Auswertung der von Beobachtungsmedien gelieferten Raumdaten, sondern auch für Simulationen von Schlachtfeldern benutzt, die bald der Ausbildung einzelner Soldaten, bald der Entwicklung globaler Strategien dienen. All dies wird durch räumliche Funktionen und Effekte ergänzt, die mehreren Medientypen gemeinsam sind. Denn so wie beispielsweise eine ganze Reihe von Medien zur räumlichen Lenkung von Waffen herangezogen wird, bilden sowohl Beobachtungs- als auch Übertragungsmedien unterschiedliche Raumstrukturen aus, die in ähnlicher Weise über Schlachtfelder gelegt werden, wie es mit Truppenaufstellungen geschieht – abgesehen davon natürlich, dass am Ende alle medialen Funktionen jener Kontrolle des Raumes zuarbeiten sollen, um die Kriege eigentlich immer geführt werden.
Freitag, 11. Juli 2014
14.00 Uhr
Anmeldung
14.30 Uhr
Lars Nowak
Begrüßung und Einführung
Übertragungstechniken (Moderation: Sven Grampp)
15.00 Uhr
Frank Haase (Basel): „So weit das bewaffnete Auge reicht – Über die medientheoretischen Grundlagen antiker Nachrichtentechnik“
15.50 Uhr
Florian Sprenger (Lüneburg): „Der Raum des standard – Taktische Körper auf dem mittelalterlichen Schlachtfeld“
16.40 Uhr
Kaffeepause
Laborräume (Moderation: Peter Podrez)
17.00 Uhr
Nadine Taha (Siegen): „Die Wolkenphotographie im cloud seeding – Zu Räumen militärisch-industrieller Unsicherheit“
17.50 Uhr
Lars Nowak (Erlangen/Nürnberg): „Atomkrieg im Reagenzglas – Räumliche Größenordnungen in der ballistischen Photographie“
20.00 Uhr
Abendessen
Samstag, 12. Juli 2014
Militärperspektiven (Moderation: Regina Wuzella)
10.00 Uhr
Hannah Wiemer (Berlin): „Landschaft lesen – Camouflage und Luftphotographie des Ersten Weltkrieges bei Solomon J. Solomon“
10.50 Uhr
Oliver Kann (Erfurt): „Der Stellungskrieg im Kartenbild – Deutsche Kartographie und die Westfront 1914-1918“
11.40 Uhr
Boris Michel (Erlangen/Nürnberg): „‚World War II was the best thing that has happened to geography‘ – Der Beitrag des ZweitenWeltkrieges zu einer Reformulierung geographischer Raumkonzepte“
12.30 Uhr
Mittagessen
Kommunikationsnetze (Moderation: Thomas Nachreiner)
14.00 Uhr
Stefan Kaufmann (Freiburg i.Br.): „Network Centric Warfare – Eine neue Form entfesselter Gewalt?“
14.50 Uhr
Tobias Nanz (Dresden): „Raumverteidigung – Die Hotline des Kalten Krieges“
15.40 Uhr
Stefan Höltgen (Berlin): „Phantome im Netz – Militär und Hacker im Kalten Krieg der Protokolle“
16.30 Uhr
Kaffeepause
Luftkriege (Moderation: Kay Kirchmann)
17.00 Uhr
Hannah Borisch (Weimar): „Ballon- und Brieftaubenpost, Paris 1870-71“
17.50 Uhr
Niels Werber (Siegen/Konstanz): „Drohnen und Luftschiffe – Töten im Nicht-Krieg“
20.00 Uhr
Abendessen
Sonntag, 13. Juli 2014
Wellenortungen (Moderation: Lars Nowak)
10.00 Uhr
Wolfgang Hagen (Lüneburg): „‚Sunday Soviets‘ und ‚Blackett’s Circus‘ – Zur Entstehung des Operations Research aus dem Geiste des Radars“
10.50 Uhr
Sebastian Vehlken (Lüneburg/Wien): „Operationale Ozeane – Das Sound Surveillance System (SOSUS) und der Anti-Submarine Warfare im Kalten Krieg“
11.40 Uhr
Kaffeepause
Computereinsätze (Moderation: Christoph Ernst)
12.00 Uhr
Stephan Günzel (Berlin): „Trained to Kill – Mit den Augen des Freundes“
12.50 Uhr
Christoph Engemann (Lüneburg): „Shaping the Graph – Krieg als Relationierungskunst“
14.00 Uhr
Tagungsende
Im Jahre 2017 ist der von Lars Nowak herausgegebene Sammelband »Medien – Krieg – Raum« erschienen, der auf eine gleichnamige Tagung zurückgeht, welche im Juli 2014 am ITM stattfand. Das Buch stellt die Frage nach der Rolle von Medien bei der Vorbereitung und Führung, aber auch Hegung und Abwendung von Kriegen noch einmal neu, indem es einen besonderen Akzent auf die spatialen Aspekte dieses Zusammenhangs legt. Dabei wird im Ausgang von der Beobachtung, dass der Raum nicht nur für Kriege, sondern auch für Kriegsmedien Gegenstand und Bedingung zugleich ist, herausgestellt, dass Medientechnologien nicht weniger als Waffen- und Transporttechnologien zur sozialen Konstruktion militärischer Räume beitragen. So zeigen die im Band versammelten Fallstudien, die historisch von der Antike bis zur Gegenwart reichen, welche Funktionen die mediale Erzeugung, Speicherung, Übertragung und Verarbeitung von Informationen beispielsweise bei der Lenkung von Waffen, der Koordination getrennter Truppenteile, der Ortung des Gegners oder der militärischen Erschließung des Meeres- und Luftraumes erfüllen.
Christoph Engemann, Florian Sprenger, Hannah Wiemer
Stefan Kaufmann
Stefan Kaufmann
Thomas Nachreiner, Christoph Engemann, Florian Sprenger, Stefan Kaufmann
Thomas Nachreiner, Tobias Nanz
Florian Sprenger, Tobias Nanz
Stefan Höltgen
Stefan Höltgen
Wolfgang Hagen
Wolfgang Hagen
Wolfgang Hagen
Christoph Engemann
Christoph Engemann
Christoph Engemann
Photoinstallation »Area Bombing«
Auf der Tagung wurde die Photoinstallation Area Bombing: Nürnberg im Zweiten Weltkrieg präsentiert, die im Rahmen des gleichnamigen Projektseminars unter der Leitung von Roman De Giuli und Lars Nowak im Sommersemester 2014 von elf Studierenden des ITM– Vera Barner, Jessica Barra, Annette Bathen, Inga Bergmann, Olga Kruse, Isabella Kurz, Ella Malzew, Jennifer Ovelgönne, Sabine Pfister, Maren Sautner und Daviel Alonso Garcia – erarbeitet wurde.
Die Installation verlieh dem Konferenzthema eine ortsspezifische Wendung, indem sie sich anlässlich der 75. Wiederkehr des Beginns des Zweiten Weltkrieges mit den Auswirkungen dieses epochalen militärischen Konfliktes auf die Stadt Nürnberg auseinandersetzte, die durch die strategischen Luftbombardements der Westalliierten beinahe vollständig zerstört wurde. Formal wurde die Installation durch das Medium der Photographie bestimmt, mit dem sich auch mehrere Tagungsbeiträge befassten; dabei griff sie einerseits auf Luftaufklärungsbilder aus dem Archiv, andererseits auf selbst erstellte Aufnahmen aus dem heutigen Nürnberg zurück. Sie bestand aus vier Würfeln, auf denen die Photographien mit kurzen Texten kombiniert wurden: Während drei hängende Würfel den Luftraum markierten, aus dem die Bomben auf Nürnberg fielen, erlaubte ein liegender Würfel den Besuchern, selbst die vertikale Perspektive des Luftaufklärers einzunehmen. Die Würfel behandelten verschiedene Aspekte des Installationsthemas: die besondere Herausforderung, welche die Wahrnehmung aus großer Höhe darstellt; die starke Veränderung des Nürnberger Stadtbildes durch Zerstörung und Wiederaufbau sowie die bizarren Formen, die aus der Entkernung der einzelnen Gebäude resultierten; schließlich die Narben und Brüche, die der Krieg an der Stadtmauer hinterließ, und der militärische Bedeutungsverlust, den diese durch den Luftkrieg erlitt.
Bei der Installation wurden u.a. drei Luftbilder des Stadtarchivs Nürnberg (Archivnummern A99_003a, A99_003b und A99_033d) verwendet.
Installationsphotos: Eva Kallweit / ITM
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